Silvia steht an ihrem grossen Wohnzimmerfenster neben der Stehleuchte und
macht das Licht an. Und wieder aus. An und wieder aus. Ob ich kurz Zeit hätte, morst
sie über den See direkt zu mir herüber. Ich greife zur grossen Taschenlampe,
stets einsatzbereit auf dem Sims, und leuchte kräftig von unsrer Stube an der
Silberküste zu Herrlibergs Villenhügel. Alles in Ordnung bei euch, will ich
wissen, waren wir schon länger nicht mehr auf Empfang. Ja, ja, antwortet Silvia
sofort, sie hätte jetzt halt ein gröberes Coaching hinter sich, sie sage bloss
ein Wort: Bundespräsident Maurer! Ich meine, das sind doch grad zwei und frage
stattdessen nach dem Coaching. Also, beginnt Silvia, ich als Lehrerin a.D. habe
natürlich sofort realisiert, dass unser Ueli ein immenses Problem mit fremden Sprachen
hat, bei Französisch springt zum Glück Didier Burkhalter ein, dolmetscht und redet
für ihn, im Italienischen und Romanischen braucht er momentan ‚orso’ oder ‚urs’
und ‚problem’, das beherrscht Ueli inzwischen recht gut, aber englisch, da geht
überhaupt nichts. Daher habe sie ein intensives Englisch-Coaching durchgeführt,
fährt Silvia fort. Dann ists dunkel über dem See. Ich drücke auf meine Lampe,
englisch kann ich auch nicht, zünde ich, ein paar Lektionen würden mir auch gut
tun. Minuten später meldet sich Silvia: Eben ist der Ueli zu mir getreten,
machen wir schnell ein Learning by doing miteinander! Wow, schluck ich trocken,
mit einem Bundespräsidenten hab ich noch nie, nicht gesprochen, nicht gemorst,
geschweige eine English-Lesson abgehalten! Hi Ueli, I’am Irma, leuchte ich leicht
errötet. Keine Antwort. Nichts passiert. Da schaltet sich Silvia ein, sorry,
mit Irma haben wir keine Übung, meld dich doch als Michelle Obama. Ok, geb ich
zurück, hi Ueli, my name is Michelle Obama, how are you? Und kaum hab ichs über
den See geschickt, kommts wie aus dem Sturmgewehr geschossen: Hello, I am Ueli
from Switzerland and you are so great and black and beautiful! Ich nicke, ja,
ja, im Dunkeln kannst du das leicht sagen, fühle mich aber trotzdem ein
bisschen Obama-like. Und jetzt, funkt Silvia dazwischen, stell dich bitte als Putin
vor. Easy, denk ich, greife rasch nach einer Flasche Wodka im Schrank und warte
auf Uelis Botschaft. Hello, I am Ueli from Switzerland and you are so great and
strong and beautiful! Ich nicke erneut, nastrowje, das Englisch sitzt ja
perfekt, ich fühl mich echt Wladimir! Kurz danach morst Silvia, sie habe den
Ueli verabschiedet, er sei nun auf dem Weg nach Bern, das mit dem Englisch bleibe
einfach katastrophal. Burkhalter muss zum Französischen ab sofort auch die Auslandreisen
übernehmen, auf denen ja eh nur englisch gesprochen wird. Die SVP verspricht im
Gegenzug der FDP, Burkhalter einstimmig als nächsten Bundesratspräsidenten zu
wählen und Filippo Leutenegger als dessen Vize. Darauf das Licht über
Herrlibergs Villenhügel erlöscht. Leutenegger Filippo, überleg ich flüchtig, während
ich die Taschenlampe aufs Sims zurückstell, heisst der nicht Lorenzo?
Mittwoch, 5. Dezember 2012
Morsezeichen: Auslandreisen
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