Donnerstag, 22. August 2013

Morsezeichen: L’Expérience Blocher


Ein heftiger Lichtstrahl trifft mich abends mitten ins Gesicht. Ich steh auf und schau zur Goldküste herüber, nehme die extrastarke Taschenlampe vom Fenstersims und leuchte in kurzen Abständen zur anderen Seeseite: Silvia, ich hab schon gedacht, ihr hättet Herrliberg verlassen!
Seit Jahren schon tauschen wir uns regelmässig aus. Kommen die Lichtzeichen spärlich, mach ich mir Sorgen ob wohl alles mit rechten Dingen zu und her geht. Drüben am Hügel des Pfannenstiels. Alles bestens, morst Silvia, sie habe sich nach dem schillernden cineastischen Startschuss in Locarno ein paar ruhige Tage gegönnt. Die Premiere von „L’Expérience Blocher“ am Filmfestival von Locarno sei derart geglückt, dass sogar die ewig nörgelnde Susanne Leutenegger Oberholzer erst sprachlos war und später wortreich den Regisseur bedrängt hätte, einen ebensolchen eindrücklichen Film über ihr Leben zu drehen. Ha, das ist natürlich Humbug, wo Leutenegger Oberholzer draufsteht ist noch lange nicht Christoph Blocher drin! Und wer bitte sehr – ausser Susanne selbst – würde diesen wohl doch eher sparsam besetzten Kurzfilm sehen wollen? Eben. Zudem sollten Frauen in einem gewissen Alter von Nahaufnahmen Abstand nehmen, zündet Silvia weiter, will man tiefe Furchen sehen, schaut man sich lieber eine Doku über die Viamala an. Wechseln wir auf etwas Wichtiges, fährt Silvia fort, ich bin diesen Sommer oft zitiert worden, mein kluges Statement zu den jungen Müttern von heut hat für ein Rauschen im Blätterwald gesorgt. Es liegt mir tatsächlich am Herzen, dass sich die jungen Mütter auf die wahren Werte des Lebens besinnen, nämlich um das Wohl des Ehemannes und der Kinder. Die meisten Frauen gehen bloss arbeiten, weils grad ‚en vogue’ ist und die Freundinnen es chic finden. Moment, leuchte ich dazwischen, das zweite Einkommen ist existenziell für die meisten Familien! Ich hätte ja auch gern eins! Kurz ist kein Licht von Herrliberg her auszumachen, dann erscheint es erneut: Ich kenne niemand, der zur Arbeit gezwungen wird, in meinem Umfeld sind bestausgebildete Frauen am Herd geblieben, höchstens von einer Köchin, einer Nanny und einer Zugehfrau unterstützt, ansonsten war die Frau auf sich alleine gestellt. Ich hab das selber hingebungsvoll gemacht: Ich mit den Kindern daheim und mein Christoph in der Wirtschaft. Und alle sind wir erfolgreich geworden, verkündet Silvia kräftig. Arbeitet Magdalena nicht zu hundert Prozent bei der Ems-Chemie, frage ich blinkend. Ja, ja, blitzt es subito zurück, nur ist das etwas ganz anderes, unser Magdeli ist stark, gescheit und selbstbewusst, sie steht ihren ganzen Mann. Dazu hab ich sie erzogen. Selbstständigkeit ist das A und O, auch in einer guten Beziehung, berichtet Silvia weiter, nun jedoch muss ich aufhören, Christoph will morgen früh raus und ich soll ihm noch die Kleider zurecht legen.
Das Licht bricht ab und es ist wieder ganz dunkel über dem Zürichsee. Schwarz wie Oprah Winfrey. Aber für die Handtaschen-Geschichte ists jetzt zu spät.



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