Viel Zeit bleibt uns nicht mehr, schimpft
Christoph Blocher und schaut streng in die Runde. Eine ausserordentliche Sitzung
im Schloss Rhäzüns ist einberufen. Draussen pfeift der Herbststurm hässig um
die Mauern und rüttelt an den Fenstern. Drinnen im Herrenzimmer sitzen Amstutz,
Mörgeli, Köppel, Brunner und Martullo am polierten
Eichentisch. Letztere natürlich neben ihrem Vater. Dass wir die Wahlen gewinnen ist sonnenklar, fährt Blocher fort,
wir müssen uns heute einzig auf den zweiten Bundesrat einigen, damit wir alles
zackig vorwärts bringen, dort oben in Bern. Nicht so schnell, ruft ein sichtlich
aufgeregter Toni Brunner, es ist doch meine erste Sitzung als Protokollführer! Christoph
hat ihm einen Laptop hingestellt. Mit einem ausgeklügelten
Rechtschreibeprogramm. Doch als hätte ers geahnt, wie langsam Tonis Finger über
der Tastatur kreisen, liegt daneben noch ein Notizblock bereit. Ein Sünneli hat
der Brunner Toni nun schon darauf gemalt und dahinter ein Fragezeichen. Das steht für
Bundesrat, klärt er den Roger Köppel auf, der ein wenig konsterniert auf das
sonst noch leere Blatt Papier schielt. Köppel räuspert sich, drückt seine
Brille auf dem Nasenrücken zurecht und als er gerade zu einer brillanten Rede
ansetzen will, winkt Magdalena Martullo ab. Roger, spar dir deine schlauen
Worte für den Nationalrat auf. Was wir hier suchen ist der neue, der richtige Bundesrat
aus unserer Reihe, komm, machen wir doch grad mal eine Übung dazu: Was würdest
du tun, wenn du als Bundesrat eine Präsentation machen willst und dein Beamer
ist kaputt? Hä? Mister Köppel, was würdest du tun? Hä, Mister Amstutz? Brunner
Toni kaut angespannt auf dem Bleistift herum, das Sünneli hat er
durchgestrichen und „kaputt“ darunter gekritzelt. Hä, Mister Mörgeli, doppelt Martullo nach, what is se first sing to do? Vater Christoph lehnt sich entspannt in
seinen Louis-quinze-Stuhl zurück, schon gut hat er seine Magdi ins Ausland
geschickt, das Internationale verkörpert sie helvetisch souverän, logisch, se
apple does not fall far from se tree! Amstutz schnaubt und streicht sich eine
graue Haarsträhne aus dem Gesicht. Mörgeli neben ihm lächelt süffisant, seit
ich meine Haare färbe, sehe ich aus wie neununddreissig und selbst meine Freundinnen
werden immer jünger, verstehst du? Martullo blafft ihn an: Mister Mörgeli, wenn
du hier nichts zur Lösung beitragen kannst, dann hör gefälligst auf zu tuscheln!
Die Herren schweigen. If you have a problem you need to fix it!, hilft Martullo
ihnen auf die Sprünge. Ich könnte mich leicht als Bundesrat wählen lassen, versucht Amstutz
sich zu erklären, man nennt mich schliesslich den Alpen-Richard-Gere, die Frauen
vom ganzen Berner Oberland stehen hinter mir, doch als Fraktionspräsident
unserer Partei kann ich ja nicht gleichzeitig Ross und Reiter sein! Ha, ha,
schnaubt Martullo verächtlich, damit hat unsereins kein Problem, ich gehe
locker als Ross durch und reiten kann ich auch! Und da wirds den Männern in der
Runde schlagartig klar, dass sie nur Steigbügelhalter für die neue Bundesrätin
sind! Während Köppel verbissen auf seiner Unterlippe kaut, Amstutz und Mörgeli blutleer
auf ihren Stühlen kleben, applaudiert Christoph seiner Tochter. Inzwischen hat Toni
konzentriert ein stämmiges Pferd gezeichnet. Das Protokoll ist jetzt fertig,
strahlt er stolz.
Donnerstag, 15. Oktober 2015
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